Psychosoziale Probleme

Helpline für Journalist*innen gestartet

02.11.2023

Der Stress in der Medienbranche nimmt weiter zu. Stellenkürzungen, 24/7-Erwartungsdruck und Beleidigungen via Soziale Medien sind nur einige der vielen Belastungen. Seit 2. November gibt es mit der Journalisten-Helpline von Netzwerk Recherche eine unabhängige, anonyme und kostenlose Telefonberatung für Medienschaffende mit psychosozialen Problemen.

 

Die Journalisten-Helpline wendet sich an alle festangestellten und freien Medienschaffenden. Sie ist während der offenen Sprechzeiten (montags von 18.00 bis 20.00 Uhr und donnerstags von 16.00 bis 18.00 Uhr) unter der Telefonnummer 030/75437633 erreichbar. Darüber hinaus können online Gesprächstermine gebucht werden. Das Angebot ist unabhängig, anonym und kostenlos; es fallen lediglich je nach Tarif Gebühren für einen Anruf ins deutsche Festnetz an.

Am anderen Ende der Telefonleitung sitzen speziell geschulte Journalist*innen, die viele Herausforderungen des Berufs aus eigener Erfahrung kennen oder zumindest nachvollziehen können. Sie hören zu und suchen gemeinsam mit den Anrufenden nach Lösungen. „Die Helpline ist jedoch kein Therapieersatz und vermittelt keine Therapieplätze“, schreiben die Anbieter vom Netzwerk Recherche.

Das lobenswerte und leider sehr notwendige Unterstützungsprojekt lebt von freiwilliger Förderung. „Deshalb möchten wir, dass möglichst viele Medienorganisationen die Helpline gemeinsam solidarisch tragen: Verlage, Verbände, Gewerkschaften sowie Rundfunkanstalten, aber auch Stiftungen und andere Förderpartner“, teilt die Initiative mit. Auf der Helpline-Website gibt es ausführliche Informationen zu Fördermöglichkeiten und dem eigentlichen Angebot. Hier bitte klicken (Screenshot Helpline-Partner: Netzwerk Recherche).

Dass das Thema „Druck für Medienschaffende“ ein sehr virulentes ist, zeigen auch zwei Studien zur Lage hierzulande. „Journalist:innen in Deutschland sehen sich einem hohen Maß an Stress ausgesetzt. Die Mehrheit hat in letzter Zeit Beleidigungen im Internet und Herabwürdigungen ihrer Arbeit erlebt“, stellte das Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans Bredow-Institut im Oktober fest. Die erschreckenden Ergebnisse sind Teil der weltgrößten Journalismusstudie „Worlds of Journalism“. Hier können Sie die HBI-Untersuchung als kostenloses PDF herunterladen.

Zu einem ähnlichen Ergebnis war bereits im Sommer 2022 die Otto Brenner Stiftung in ihrem Arbeitspapier „Arbeitsdruck – Anpassung – Ausstieg“ gekommen. „Digitaler Wandel, ökonomische Krise und Vertrauensverlust bedingen einen noch größeren Stress eines sowieso schon durch hohe Beanspruchung gekennzeichneten Berufslebens. Bei vielen Medienschaffenden, vor allem jüngeren, besteht zudem Sorge um die Jobsicherheit“, lautet der bedrohliche Befund. Den Free-Download des OBS-Arbeitspapiers als PDF finden Sie hier auf der Website der Wissenschaftsstiftung der IG Metall.

Einen ungeschönten und genauen Einblick in den Maschinenraum der Medienbranche liefert Sonja Peteranderl in ihrem im Oktober veröffentlichten Hintergrundstück „Burn-out im Journalismus“. Die Autorin konstatiert einen „Flächenbrand“ – weltweit. Peteranderl schildert eindrücklich, wie dramatisch die Lage ist. „Doch was müsste geschehen, damit sich wirklich etwas ändert?“, fragt sie. Den lesenswerten Artikel können Sie hier auf der Website des journalist, dem Medienmagazin des Deutschen Journalisten-Verbandes, aufrufen.

Clemens Gerlach