Bei einer Gesprächsrunde in Hanau kamen die DFB-Sprecherin für die Herren-Nationalmannschaft, Franziska Wülle, die Sport-Unternehmerin Isabell Fries, Box-Weltmeisterin Bilgenur Aras und die Stadträtin der Stadt Hanau, Isabelle Hemsley, mit mir als Moderatorin zusammen. Aus dieser Runde ließen sich nicht nur für den Sport, sondern auch für den Sportjournalismus einige Erkenntnisse ableiten, die ich Ihnen im Folgenden darlegen möchte.
Learning 1: Sichtbarkeit ist wichtig
Das Weibliche in Sachen Kleidung auch zeigen zu dürfen ist dabei ein zentrales Thema. Die zierliche Boxerin Aras beschreibt sehr intensiv die Zerrissenheit, wenn es beispielsweise um Sichtbarkeit auf Social Media geht:
"Man muss ja präsent sein – auch um Sponsoren zu bekommen. Aber mit zu knapp geschnittener Sportkleidung auf Fotos wird man auch schon mal mit hasserfüllten Kommentaren überzogen. Das ist einer Kollegin passiert. Und wenn man sich dann aus dem Netz zurückzieht, ist am Ende irgendeine Influencerin bekannter als jemand, der in seinem Sport höchst erfolgreich ist." (Gesprächsteilnehmerinnen Pahl, Fries, Aras und Hemsley (v.l.) / Foto: privat)
Ich selbst habe zu meinen eigenen Anfangszeiten im Sportjournalismus Mitte der 1990er-Jahre generell den Rock im Kleiderschrank gelassen. Aus Angst, nicht ernstgenommen zu werden. Die nachfolgende Generation um Franziska Wülle macht sich mittlerweile für einen anderen Umgang stark:
"In Kleidung muss man sich wohlfühlen. Egal, ob figurbetont oder nicht. Wenn Männer nicht weggucken können, ist es deren Problem, nicht das der Frau. Egal, in welchem Kontext."
Learning 2: Mehr Solidarität unter Frauen
Der Konkurrenzkampf unter Frauen im Sport sei weiter ein Hemmnis, das es zu überwinden gelte, ist sich die Gesprächsrunde einig. Stadträtin Isabelle Hemsley appelliert deshalb an alle Akteurinnen, die Stutenbissigkeit endlich zu überwinden und sich gegenseitig mehr zu unterstützen.
"Wir gönnen uns zu wenig, da sind uns die Männer noch voraus", sagt sie. Dasselbe gelte für das Thema Netzwerken. Männer nutzen Beziehungen gerade im Sport viel mehr, Frauen sind da noch in der Aufholposition.
Learning 3: Frauenquote keine Option – Leistung muss zählen
Zum Thema Frauenquote gibt es ebenfalls nur eine Meinung in der Runde. Isabell Fries, die mit ihrem Unternehmen junge Sportler unterstützt, wirft dazu ein: "Durch Leistung punkten und nicht durch Quote."
Im Sport ginge es in erster Linie um Leistung. Und die müssten auch Männer anerkennen. Vor allem, weil diese Leistung bei Frauen immer noch höher sein müsse als bei Männern, ergänzt Stadträtin Hemsley. Aber zusammen mit den anderen Teilnehmerinnen sieht sie eben auch Fortschritte: "Grundsätzlich haben wir es heutzutage schon etwas leichter. Wir hatten viele Vorkämpferinnen." (DFB-Sprecherin Wülle mit Bundestrainer Nagelsmann / Foto: GES-Sportfoto/Markus Gilliar/augenklick)
Learning 4: Offener Umgang
Am Ende berichtet Franziska Wülle noch über ihre Anfangszeiten bei den DFB-Pressekonferenzen der Herren-Nationalelf. Sie war damals dafür kritisiert worden, die Spieler bei den Pressekonferenzen "verliebt" anzulächeln. Das sei auch für sie überraschend gewesen, denn ihr eigentliches Ziel sei ein anderes gewesen: die Spannung hochzuhalten, damit sich die Menschen das gerne anschauen. "Wenn mein Lächeln dabei hilft, dann ist das doch okay. Einem Mann wäre diese Kritik nicht passiert."
Alle gemein haben übrigens auch noch eine Sache: Jede Teilnehmerin hat den Job im und um den Sport aus Überzeugung gewählt. "Dass wir dadurch auch eine Vorbildfunktion einnehmen, kommt dann automatisch mit" – auch darin ist sich die Runde einig.
Sonja Pahl ist Sportjournalistin und Leiterin Sport bei HIT RADIO FFH sowie Mitglied im Verein Frankfurter Sportpresse.
Anm. d. Red.: Der Verband Deutscher Sportjournalisten hat mit Kerstin von Kalckreuth eine unabhängige Ansprechpartnerin installiert, falls es zu Diskriminierung oder (sexualisierter) Gewalt im Arbeitsumfeld gekommen sein sollte. Kerstin von Kalckreuth agiert dabei vollkommenen unabhängig vom VDS und ist bei Vorfällen unter folgender E-Mail-Adresse zu erreichen: antidiskrinalist.de. minierung@sportjour