Der Maßstab hat eine gewisse Größe angenommen. "Wir starten eine Bewegung", sagt Andreas Heyden. Der CEO von Dyn, dem seit August 2023 aktiven Sport-Streamingdienst, möchte sein Unternehmen zu einem "Teil der Popkultur bei Sportbegeisterten in Deutschland" machen. Unter dem Motto "Alles außer Fußball" liefert Dyn seit mehr als einem Jahr Live-Sport und Magazine aus gleich fünf Disziplinen. Vertreten sind neben Handball und Basketball auch Tischtennis, Hockey und Volleyball. Seit einigen Wochen befindet sich der von Axel Springer unterstützte Dienstleister nun in seiner zweiten Saison. Es läuft offenbar ganz gut.
Das Angebot ist jedenfalls umfassend: Es gibt die Live-Spiele aus den einzelnen Ligen der Dyn-Partner, stets kommentiert und begleitet durch mehrere Kameras, zahlreiche Highlights mit Zusammenschnitten und daneben diverse Magazine. Dabei geht es bunt zu. Formate wie die "Schnelle Mitte" (Handball), "Nothing but Net" (Basketball) oder das "Platten Update" (Tischtennis) haben nur wenig zu tun mit bekannten Sportmagazinen. Dort tauschen sich Experten und Moderatoren in sehr lockerer Atmosphäre und manchmal auch im Stil einer Videokonferenz aus. Vor allem der Handball ist mit Namen wie Pascal Hens oder Stefan Kretzschmar ziemlich prominent besetzt.
Die Zahlen sind dagegen ein Problem, jedenfalls ihr Zugang. Denn obwohl es die vermutlich spannendste, vor allem aber wichtigste Größe dieses Projektes ist, gibt es keine Information über die Zahl der Abonnenten. "Man darf nie zufrieden sein, aber wir haben eine signifikante Zahl von Menschen überzeugen können, ein Abo abzuschließen", sagt Heyden. Immerhin verbreitete Dyn vor geraumer Zeit, dass im Februar ein Rekord aufgestellt wurde: Das Handballspiel zwischen dem THW Kiel und dem SC Magdeburg streamten 115.000 Menschen. In der Branche schätzt man, dass der Streamingdienst zu diesem Zeitpunkt bis zu 300.000 Abonnenten hatte gewinnen können. (Heyden-Foto: Dyn Media)
Sicher ist: Innerhalb des ersten Jahres wurden rund 2500 Spiele übertragen und gleich 24.000 Beiträge in den Social-Media-Kanälen veröffentlicht. Daraus schließt Dyn auf eine Gesamtreichweite von etwa 800 Millionen, gebildet aus eigenem Content sowie jenem von Ligen und Klubs. Das ist wichtig, denn darum geht es vor allem. "Wenn wir es nicht schaffen, die Reichweite zu steigern und gesellschaftlich relevant zu werden, wird alles andere auch nicht funktionieren", sagt Heyden.
Ein Mittel, die Sportarten weiter zu verankern, sind die frei zugänglichen Inhalte. Man muss nämlich nicht unbedingt Dyn-Kunde werden, um entsprechende Bilder zu empfangen. Auf WELT TV sind immer wieder Spiele zu sehen, und dank einer Kooperation mit der ARD gibt es auch dort immer wieder Ausschnitte oder sogar ganze Partien. Zudem wird pro Spieltag jeweils eine Begegnung vom Hockey, Tischtennis, Volleyball und der zweiten Handball-Bundesliga auf YouTube gestreamt. "Wir machen das alles, um Aufmerksamkeit zu erzeugen", sagt Heyden und bezieht sich auf eine sehr einfache Rechnung: "Ein YouTube-Link ist leicht weiterzuleiten, dafür muss man kein Abo abschließen."
Dabei hat sich der Handball mittlerweile relativ klar als Sportart mit der größten Nachfrage etabliert. "Es gibt immer eine Nummer eins, und unser Zugpferd ist der Handball“, bestätigt Heyden. Zwar habe auch der im Trend liegende Basketball mittlerweile einen "festen Platz in der deutschen Sportlandschaft". Aber das Potenzial des Handballsports sei eben noch etwas größer. Das ließe sich angesichts der eigenen Erfahrungen belegen und würde durch die Ergebnisse der Allensbacher Markt- und Werbeanalyse (AWA) bestätigt. "Der Handball hat ein Potenzial von acht Millionen Fans, beim Basketball sind es vier bis fünf Millionen", sagt Heyden.
Es sind wohl vor allem die gewachsenen Strukturen der Dyn-Sportart Nummer eins, die den Erfolg ausmachen. Im Handball treffe der Steamingdienst auf einen "bestellten Grund". Da hilft es erst einmal wenig, dass gerade junge Menschen vermehrt auf Korbjagd gehen. "Der Schritt vom jungen und begeisterten Social-Media-Nutzer der Basketball-Inhalte zum Käufer eines Liga-Produkts ist ein langer“, sagt Heyden.
Allerdings betont der Dyn-CEO auch: "Wir führen keinen Wettbewerb ums Portemonnaie, sondern um Zeit." Ein gutes Stichwort: Man möchte sich insgesamt Zeit geben. Die Verträge mit den Ligen laufen noch einige Jahre, mindestens bis 2027 und im Fall von Handball und Basketball sogar bis 2029. "Das erste Jahr ist immer das schwerste", betont Heyden. Die Ligen hätten aber bereits profitiert von der Zusammenarbeit, durch ihre "wirtschaftlichen Erfolge". Dabei denkt Heyden vor allem an die Hauptsponsoren: Die HBL heißt seit dem Sommer offiziell Daikin Handball-Bundesliga, ist also nach einem japanischen Klimatechnik-Unternehmen benannt. Zudem habe sich die DKB nun "auf höherem Niveau" in diesem Sport engagiert. (Screenshot: Dyn-Website/vds/sj)
Was die Vermarktung betrifft, liege die "Arbeit ganz klar bei den Klubs und Ligen", betont Heyden. Das finanzielle Engagement von Dyn beschränkt sich auf die Medienrechte und die Initiative "Move your Sport", die zehn Prozent des Umsatzes an die Nachwuchsförderung der Partnerligen abführt. Mehr gibt es auch in Zukunft nicht. "Die Ligen und Klubs stehen vor einem historischen Moment und haben nun ein Zeitfenster, um zu beweisen, dass Kunden für sie bezahlen", kontert Heyden den Hinweis auf einige kritische Stimmen aus den Klubs. Die verweisen nämlich auf den Aufwand, der für das Livestreaming betrieben wird, und wünschen sich in dieser Hinsicht eine finanzielle Unterstützung.
Gleichwohl hat Dyn offenbar eine gewisse Nachfrage erzeugt. "Wir haben extrem viele Anfragen anderer Sportarten", so Heyden. Dabei scheiden einzelne Events aber grundsätzlich aus. "Sie passen nicht ins aktuelle Konzept, wir brauchen eine starke nationale Liga als Trägerprodukt", sagt der CEO. Für entsprechende Offerten sei man offen. Sie würden geprüft und mündeten womöglich in eine Zusammenarbeit. Gut möglich also, dass die "Bewegung" irgendwann einmal Zuwachs erhält.