Ob umfangreiche Kinoproduktionen, 30- bis 45-minütige Einzel-Dokumentationen, Folgen einer Serie oder Beiträge im Rahmen eines Club-TV, Produktionen von öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, Streaming-Diensten oder eben Vereinen: Das Organisationsteam hatte aus den 30 Bewerbungen, die im Zusammenhang mit der Online-Ausschreibung für das Festival eingegangen waren, ein thematisch breit gefächertes Programm zusammengestellt.
Vom 13. bis 15. Juni wurden an jedem Abend ab 18.00 Uhr fünf bis sechs Filme gezeigt, die zum Nachdenken anregten, die Zuschauer*innen an manchen Stellen schmunzeln ließen, Erstaunen hervorriefen, das Wissen erweiterten und insgesamt viel Gesprächsstoff boten. Zusätzlich gab es Talkrunden, unter anderem mit den Filmemacher*innen und Zeit für den Austausch in Kleingruppen – wobei die Gäste mitunter auch durchaus kontrovers über das zuvor Gesehene sowie über allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen diskutierten (Foto VDS-Präsident André Keil: Anke Wälischmiller).
Den Auftakt machte am 13. Juni 2022 ein „berufsspezifischer Abend“, an dem durch die Wettbewerbsbeiträge Hintergründe zum Berufsfeld Sportjournalismus geliefert und gleichzeitig die gravierenden Veränderungen, die sich in den vergangenen Jahren in diesem Bereich ergeben haben, aufgezeigt wurden. Dazu zählt auch, dass zunehmend mehr Vereine ein „Club-TV“ anbieten, um auf bestimmte Themen aufmerksam zu machen.
Wie VDS-Präsident André Keil bemerkte, seien Dokumentationen, die darüber ausgestrahlt werden, allerdings nicht journalistisch geprägt, sondern sie würden von den Protagonisten selbst herausgegeben beziehungsweise in Auftrag gegeben. „Als Geschäftsmodell müssen wir dies respektieren, aber es ist wichtig, dass unsere Produkte eine deutliche Abgrenzung dazu zeigen. Wir müssen gewissermaßen noch journalistischer sein“, blickte Keil voraus.
Der zweite Festival-Abend stand im Zeichen „besonderer Geschichten“ und rückte die gesellschaftspolitische Diskussion über Sportgroßveranstaltungen in den Fokus. Am Abschlussabend, an welchem der Verband Westdeutscher Sportjournalisten, in dessen Verbandsgebiet das Festival stattfand, alle Teilnehmer*innen zu Currywurst und Getränken einlud, durften sich die Besucher*innen derweil von Produktionen faszinieren lassen, die hinsichtlich der Themenvielfalt und filmischen Umsetzung herausragten (Foto Siegerin Christiane Schwalm, links, und Hauptorganisator Thorsten Poppe: Anke Wälischmiller).
Dabei gelang es allen Filmemacher*innen, die Geschichten äußerst packend zu erzählen – auch weil sie in bemerkenswerter Weise Nähe zu den Protagonist*innen schufen, so dass diese enorm offen, ehrlich und tiefgründig über ihre Erlebnisse, positive wie negative, sprachen. „Ich hatte immer das Gefühl, ich war dabei“, zeigte sich Thorsten Poppe, Beisitzer im VDS-Präsidium und Hauptorganisator des Festivals, beeindruckt.
Einen großen Reiz machte darüber hinaus die Kombination aus Aufnahmen aus der Vergangenheit mit aktuellen Eindrücken aus, die vielen Filmemacher*innen hervorragend gelang. „Um die Gegenwart zu verstehen, lohnt sich immer auch ein Blick in den ‚Rückspiegel‘“, sagte VWS-Mitglied Julia Kleine, die gemeinsam mit VDS-Ehrenpräsident Erich Laaser und Fechterin Léa Krüger vom Verein Athleten Deutschland die dreiköpfige Festival-Jury bildete.
„Ich bin richtig begeistert von allen Filmen. Die Auswahl war hervorragend, so dass es sehr schwer war, einen Film rauszupicken, der als Gewinner gekürt wird. Alle haben spannende Geschichten erzählt, und die Themen reichten von der Vergangenheit bis in die Gegenwart“, war Krüger angetan (Foto Jurymitglieder Léa Krüger, links, und Julia Kleine: Anke Wälischmiller).
Kleine erläuterte, dass die Jury bei der Auswahl des Siegertitels drei Aspekte bewertet hätte: Was gefällt mir? Welches journalistische Handwerk ist mit der Produktion verbunden? Und: Wie viel Herzblut beziehungsweise Rechercheaufwand seitens der Autor*innen steckt in dem Film? Die Auswahl sei auch für sie sehr schwer gewesen. „In vielen Geschichten ist man komplett drin, sie berühren einen“, so die WDR-Moderatorin.
Die Wahl fiel letztlich auf die Produktion „Springen wirst du nie wieder!“ von Christiane Schwalm – eine Dokumentation über die Weitspringerin Maryse Luzolo, die sich nach einer schweren Knieverletzung 2017 nicht nur in den Leistungssport zurückkämpfte, sondern sogar die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio schaffte.
Die Produktion ist Teil der ARD-Serie „Generation F – Zeit für Sportler:innen“, die Athletinnen auf ihrem Weg an die Spitze begleitet und mit welcher Sportlerinnen sichtbar gemacht werden sollen. Denn: Nach wie vor sind Frauen in der Sportberichterstattung deutlich unterrepräsentiert.
„Daher ist es wichtig, dass solche Formate existieren. Es gibt so viele Geschichten von Sportlerinnen, die es wert sind, erzählt zu werden“, weiß Schwalm (Foto Siegerfilm: Anke Wälischmiller).
Den Pokal für den Sieg im (undotierten) Wettbewerb bekam die Filmemacherin von Kleine und Krüger überreicht, Laaser konnte am Abschlussabend nicht vor Ort sein. „Der Film wird durch den Pokal noch wertvoller. Für viele ist es schon eine große Ehre, wenn sie in die Official Selection kommen. Zudem ist der Preis ein Preis von Kolleg*innen für Kolleg*innen und damit eine besondere Form der Wertschätzung“, sagte Keil, der sich nicht zuletzt darüber freute, dass für das 2. VDS SportFilmFest vorwiegend junge Autor*innen Beiträge eingereicht hatten.
So schilderten diese in den Talkrunden unter anderem, wie sie auf die jeweilige Geschichte gestoßen sind, inwieweit es schwierig war, Interviewpartner*innen für das betreffende Thema zu gewinnen, warum sie sich gerade für diese Machart des Films entschieden haben, und wie aufwendig sich die Recherche im Archiv gestaltete.
Dabei zeigte sich immer wieder, wie viele tolle Protagonist*innen und Sportler*innen es in Deutschland gibt und wie viele faszinierende Geschichten auch abseits des Fußballs zu erzählen sind.
Mehrere der in Oberhausen präsentierten Produktionen sind übrigens in den Mediatheken der entsprechenden TV-Sender zu finden, so dass sie jederzeit (erneut) angeschaut werden können, etwa hier der Siegerfilm) (Foto Ebertbad: Edith Geuppert).
Und auch Überlegungen für die dritte Auflage des VDS SportFilmFestes gibt es schon einige. „Die Atmosphäre hier ist toll. Wir haben zum Beispiel gestern noch lange mit einigen Kolleg*innen vor dem Ebertbad über die Filme gesprochen, die wir zuvor gesehen haben“, sagte Keil und deutete an, dass er sich gut vorstellen kann, das nächste Festival ebenfalls in Oberhausen zu veranstalten.
Der Termin für das VDS SportFilmFest 2023 soll nach Möglichkeit noch in diesem Jahr festgelegt werden. Dann erhofft sich das Organisationsteam ein noch größeres Publikum. Die Produktionen, die bei der Veranstaltung jeweils gezeigt werden, sind es in jedem Fall wert.
17.06.2022
Autorin: Claudia Pauli