"Das klickt nicht", sagte jüngst der Sportchef eines großen Mediums auf die Frage, warum denn die Erfolge der Randsportart XYZ nicht mit einer längeren Meldung online gewürdigt worden seien. Geschweige denn einem ausführlichen Stück. "Das klickt nicht", heißt es – und unausgesprochen: Das kann weg. Warum sich Arbeit machen oder Kosten produzieren?
In Zeiten von "Online first", in denen die großen Verlagshäuser ihre Zukunftsstrategie gefühlt ausschließlich auf die Vermarktung von Internet-Inhalten ausrichten, ist das wahrscheinlich ein ernstzunehmendes Argument. Wenn's niemand anklickt, wenn kein Interesse da ist, dann braucht man es auch nicht.
Man hört mittlerweile, dass bei Deutschlands immer noch größter Boulevardzeitung Sportredakteure keine Angebote aus "bunten" Bereichen machen dürfen. Also Boxen, Hockey, Eishockey und so fort. Vorbei. Wird nicht gewollt, machen wir nicht, klickt nicht.
Es geht sogar noch weiter. Beim Wintertrainingslager des FC St. Pauli in Spanien war erstmals kein Reporter der Bild dabei. Niemand, der vor Ort Netze spann, sich Hintergrundinformationen besorgte, journalistisch arbeitete. Warum? St. Pauli klickt nicht bei Bild. Das mag bei den Fans des Kiezklubs wenig verwundern. Und dennoch ist diese bewusste Abwesenheit eine alarmierende Entwicklung. Es werden Themenfelder bewusst ignoriert. (Hardt-Foto: privat)
Das heißt in der Konsequenz natürlich, dass es auch dort keine Berichterstattung über vermeintlich uninteressante Themen mehr geben wird, wo es eben nicht klickt, sondern die Artikel gedruckt sind. Wo Leser die Chance hätten, neben den Stücken über Fußball, Fußball, Fußball und "Wie geht es Michael Schumacher?" vielleicht eine beeindruckende Schwimmerin kennenzulernen. Das ist vorbei. Was nicht klickt, wird nicht geschrieben – und auch auch nicht gedruckt.
Letztlich handelt es sich bei all dem um eine Art selbsterfüllende Prophezeiung. Wenn ich den Menschen die Chance nehme, Sport und Sportler durch gute Geschichten (auch im Fernsehen) kennenzulernen, dann wissen sie ja nicht, worum es geht. Interessiert nicht, klickt nicht. Machen wir nicht. Kann weg.
Noch leisten sich einige Zeitungen Oasen der Randsportarten. Auch mit wirklich tollen Geschichten. Einige davon werden beim VDS-Preis prämiert werden, weil die Story super ist, menschlich und spannend – und weil ein Kollege oder eine Kollegin sie gut aufschreiben konnte. Hat das Zukunft? Vielleicht. Aber in den neuen Medien? Wo Besuche, Klicks und Leser genau gemessen werden? Vielleicht nicht.
Und dass auf Dauer klassische Papiermedien mindestens im Tageszeitungsbereich keine Chance mehr haben, ist auch absehbar. Das Durchschnittsalter der Print-Abonnenten liegt etwa im Renteneintrittsalter. Die Preise für Druck und Papier sind so astronomisch gestiegen, dass sich eine umfangreiche Zeitung zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen kaum noch rechnet. Und das wird nicht besser. Schon bieten Verlage gratis Kurse für iPads für Senioren an, damit diese lernen, wie sie auf E-Paper und Online-Seiten umsteigen.
Online finden sie dann Fragen in den Zeilen: "Kommt dieser Star zu den Bayern?", Cliffhanger in der Unterzeile: "Warum XYZ sauer auf Trainer ABC ist", und hochgejazzte Überschriften mit starken Reizworten: "Skandal, Eklat, Sensation". Auf keinen Fall aber "Feuilletonistisches" – so heißt es in internen Anweisungen an Autoren für die Online-Produktion. Der Holzhammer regiert, nicht das Florett. Das klickt nicht, heißt es.
"Früher", sagte kürzlich ein inzwischen pensionierter, langjähriger Kollege, "war wirklich vieles besser." Na ja … das muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber es war deutlich anders.
Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.