Wer nicht lesen will, muss hören. So oder so ähnlich heißt doch ein altes Sprichwort. Und weil gefühlt die Anzahl der Leser – nicht nur von Tageszeitungen – schon seit Jahren regelmäßig abnimmt, steigt auf der anderen Seite geradezu zwangsläufig die Zahl der Podcasts. Auch (und vor allem?) im Bereich Sport.
Es ist eine unüberschaubare Menge an Angeboten geworden. Auf einer Website, deren Anspruch es ist, die "besten Sport-Podcasts" vorzustellen, endet die Liste vom 26. Juli exakt bei Platz 100. Das war der BVB-Podcast der Ruhr Nachrichten, auf Platz eins lag unmittelbar vor Beginn der Spiele der Olympia-Podcast der ARD-"Sportschau".
Dazwischen gibt es neben Mainstream-Angeboten auch echte Spezialisten, die hören nur wenige. Trotzdem ein Tipp: In den "Female St. Pauli-Stories" stellt Moderatorin Debbie im Gespräch in regelmäßigen Abständen unterschiedlichste engagierte Frauen aus dem Umfeld des Hamburger Bundesliga-Aufsteigers vor. Das ist toll, spannend und verdienstvoll – schafft es aber natürlich nicht in die "Bestenliste" der Top 100. (Hardt-Foto: privat)
Aber was ist eigentlich ein Podcast genau? Wikipedia schreibt von einer "Serie abonnierbarer Audiodateien im Internet“. Das kann wirklich alles sein. Und so erleben wir dann eine große Bandbreite unterschiedlichster Produktionen. Es gibt die professionell aufbereiteten, hörspielartigen Dokumentationen mit Einspielmusiken, O-Tönen und atmosphärischen Geräuschen, wie sie so praktisch nur Rundfunkanstalten mit ihren großen Archiven und Möglichkeiten anbieten können.
Da sind dann wirklich große Serien dabei. Über das Leben von Michael Schumacher beispielsweise, über den WM-Triumph 2014, über das Double-Jahr von Werder Bremen 2004, den dieser Autor aus nahliegenden Gründen nie hören wird. Das sind Hörereignisse über eine bestimmte Anzahl von Folgen. Einzelproduktionen, die einen Anfang haben und ein Ende. Story auserzählt, gut ist. Einmal deutscher Radiopreis, bitte.
Und es gibt die einfache Variante: Einer redet, vielleicht auch mal zwei. Der Boulevard greift zum Mikrofon und plappert über dies und das. Hauptsache, es wird geredet. Und oft viel zu lang. Man darf ja über alles reden, nur nicht über 30, maximal 45 Minuten. Mehr erfordert Zeit und Aufmerksamkeit – ebenfalls etwas, das nicht jeder aufbringen kann oder will. Aber eine steile These dabei wäre gut, die lässt sich dann noch online oder gedruckt weiterdrehen – nach dem Motto: "sagte xyz im Podcast abc".
Trotzdem sind da erfolgreiche Formate bei. Die Brüder Felix und Toni Kroos mit ihrem Fußball-Talk "Einfach mal Luppen" mögen da als Beispiel dienen. Das hat natürlich auch mit dem Star-Appeal des erfolgreichsten deutschen Fußballspielers aller bisheriger Zeiten zu tun. Und der Hoffnung, dass er Insiderdinge verrät. Spoiler: Tut er praktisch nie.
Und weil das so erfolgreich ist, haben Tennisprofi Alexander Zverev und sein Bruder-Manager Mischa das Format gleich mal kopiert. "A bis Z", heißt der neue Podcast. Sascha durfte dafür an prominenter Stelle im On-Court-Interview am Hamburger Rothenbaum werben. Er sprach dort also nicht über sein Spiel, sondern darüber, dass nun der Podcast starte. Mit Boris Becker als erstem Gast. Na, also. Wer allerdings mit Ikonen beginnt, endet später oft bei naiver Kunst.
Sehr ambitioniert war ja auch das EM-Projekt von Zeigler und Köster. "Kacktor des Monates"-Erfinder Arnd und 11Freunde-Chefredakteur Philipp sprachen allnächtlich während der Heim-EM miteinander. Oft genug kurz vor dem Schlafengehen aus Hotelzimmern zwischen Bochum und Gelsenkirchen – "mit Gitarre“. Doch während der normale, einmal wöchentliche Stammtischtalk der beiden Fußball-Wertkonservativen meist eine Freude für ähnlich denkende Nostalgiker ist, wirkte die tägliche Ausspielung dann doch in Teilen angestrengt. Haben wir noch was? Nein! Gute Nacht.
Obwohl: Die Folge, als Zeigler die Expertin Almuth Schult nach einer Nachtschicht Quizzen im Bochumer "Zum Kuhhirten", den jetzt jeder an Schlaflosigkeit leidende ARD-Konsument kennt, vor das Podcast-Mikrofon brachte, war das schon ein Highlight. Zwei betrinken sich, und wir hören alle zu. Mit Expertentalk hatte das zunehmend weniger zu tun, außer dass Schult schließlich erklärte, wo Likör aufhört und Weinbrand anfängt. Bei 35 Volumenprozent nämlich. Danke, Almuth, wieder was gelernt. Und dafür sind Expertinnen doch da.
Andreas Hardt, vormals Redakteur bei SID und dapd, arbeitet als freier Journalist von Hamburg aus. Er schreibt die Kolumne "Hardt und herzlich" für den monatlichen Newsletter des Verbandes Deutscher Sportjournalisten. Hier gelangen Sie zu Hardts Xing-Profil.