sportjournalist: Herr Psotta, als Sportjournalist haben Sie über die Spielerberater einst das Buch "Die Paten der Liga" geschrieben. Warum haben Sie sich den Paten angeschlossen?
Kai Psotta: Ich habe nach dem Buch auch noch mit Mario Kottkamp für Sky die Doku "Traumjob Spielerberater?!" gemacht. Für mich war es sehr hilfreich, diese umfangreichen Einblicke zu bekommen. Allein für das Buch habe ich mich ein Jahr lang mit verschiedenen Marktteilnehmern auseinandergesetzt, von Vereinsvertretern über Scouts und Spielern bis hin zu diversen Beratern. All diese Blickwinkel haben mir später bei meiner Job-Entscheidung geholfen. Aber die Idee dafür ist schon früher entstanden.
sj: Wie denn?
Psotta: Das erste Job-Angebot aus der Managementbranche hatte ich von Klaus Kärcher, der unter anderem Anni Friesinger und Fabian Hambüchen beraten hat. Da habe ich mich gefragt: Bringe ich einen Mehrwert für eine Agentur mit, mag ich Management, und kann ich das? Nur weil man als Sportjournalist über viele Spiele und Events berichtet hat, heißt das nicht, dass man den Seitenwechsel vollziehen kann. (Psotta-Foto: privat)
sj: Sie sind offensichtlich zu dem Ergebnis gekommen, dass Sie das können.
Psotta: Damals habe ich zunächst grundsätzlich für mich beschlossen: Das würde mich reizen, und ich glaube, ich bringe Eigenschaften mit, die für beide Seiten erfolgversprechend sein können. Und mir war auch klar: Ich will nicht ewig in der Mixed Zone stehen. Durch das Buch und die Sky-Doku habe ich den Beratermarkt intensiv kennengelernt und wusste, was dort gefragt ist.
sj: Dann haben Sie die Frage "Traumjob Spielerberater?" für sich mit einem Ja beantwortet.
Psotta: Ich bin im siebten Jahr in der Branche tätig, bei einer Agentur, die sich ständig weiterentwickelt und innovativ ist, ich habe mit sehr spannenden Menschen zu tun. Dass ich Teil dieses Kosmos sein darf, ist besonders und macht großen Spaß. Deswegen kann ich die Frage mit einem eindeutigen Ja beantworten.
sj: Was sind Ihre zentralen Aufgaben bei der Agentur?
Psotta: Ich bin für die Medienarbeit verantwortlich. Es gibt sehr viele Anfragen zur Agentur insgesamt, aber auch für Volker Struth. Zudem begleite ich die Anfragen, die für all unsere Athleten kommen. Das waren zuletzt insbesondere bei Toni Kroos, der erst sein Nationalmannschafts-Comeback gegeben und schließlich seine Karriere beim DFB und Real Madrid beendet hat, unheimlich viel. Aber auch rund um Mario Götze, dessen Tor zum WM-Titel zehnjähriges Jubiläum hatte. Von den Anfragen für Julian Nagelsmann mal ganz abgesehen. Wobei man insbesondere in Bezug auf den Bundestrainer sagen muss: Es ist ein tolles Miteinander mit den Verantwortlichen des DFB, allen voran mit Franziska Wülle.
sj: Wie sieht Ihre Kommunikationsberatung für Julian Nagelsmann aus?
Psotta: Zunächst einmal: Ich bin nicht Julian Nagelsmanns Spindoctor. Wir arbeiten ohnehin im Team, zu dem ein kleiner, vertrauter Kreis gehört. Neben Volker sind Sascha Breese, Marcel Berger und Edgar Kohler extrem wichtig. Darüber hinaus ist Julian Nagelsmann ein Glücksfall. Er ist ein unglaublich guter Kommunikator, der eine klare Meinung hat und auch den Mut besitzt, diese zu äußern. Er verbreitet Optimismus und hat Spaß an der Kommunikation. (Foto Michael Ballack, links, und Julian Nagelsmann: firo sportphoto/augenklick)
sj: Was ist dann Ihre Aufgabe?
Psotta: Für Julian Nagelsmann gab es allein in diesem Jahr über 100 Interview- oder Dreh-Anfragen. Dann geht es um Fragen wie: Mit wem redest du wann, wie viel machen wir, und was machen wir? Die richtige Dosis und eine gesunde Mischung sind wichtig. Julian Nagelsmann hat zum Beispiel beim Interview mit dem SPIEGEL zugestimmt, über den Suizid seines Vaters zu sprechen. Dadurch hat man ihn als Menschen viel besser kennengelernt. Gleichzeitig hat er mit Esther Sedlaczek und ihrem Hund einen Spaziergang im Englischen Garten gemacht, um eine andere Seite von sich zu zeigen. Mal hat er mit Tommi Schmitt sehr launig geredet, dann wiederum mit Johannes B. Kerner in einem eher klassischen Format auch über taktische Dinge gesprochen. Es geht bei dem Ganzen um einen stimmigen Mehrklang. Wir koordinieren, wählen Termine gemeinsam aus und bereiten sie vor und nach. Aber niemand muss Julian Nagelsmann erklären, was er sagen soll.
sj: Welchen Anteil haben Sie, dass sich der Bundestrainer mit Postings zurückhält, nachdem ihm beim FC Bayern ein Hang zur Selbstdarstellung nachgesagt worden war, Stichwort: Longboard?
Psotta: Anfangs gab es sogar Geschichten in denen stand: "Was ein Skateboard mit dem Bayern-Erfolg zu tun hat". Und im Text wurde Julian dann als "Coolian" bezeichnet, dessen neue Lockerheit auch ein Grund für acht Siege in Serie sei. Aber so kleinteilig sollten wir hier jetzt nicht sein. Bei der EM war Julian Nagelsmann ohnehin sehr präsent, so dass es keiner weiteren Postings bedurfte.
sj: Welche Leitplanken setzen Sie Spielern im Umgang mit klassischen und sozialen Medien?
Psotta: Als erstes muss es immer authentisch sein. Du stülpst einem Spieler nichts über und sagst: "So machst du das jetzt." Wir bilden kleine Teams um Spieler herum und auch um die von uns betreuten Trainer, zu denen ja unter anderem auch Dino Toppmöller gehört, und geben ihnen Input aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Vor allem hören wir ihnen auch zu, was sie selbst wollen. Norbert Elgert (A-Jugend-Trainer von Schalke 04; die Red.) hat da mal einen sehr guten Satz gesagt: "Es gibt einen Grund, dass Menschen zwei Ohren und nur einen Mund haben, damit sie mehr zuhören als selbst zu reden." Darum geht es doch auch. Den Spielern und Trainern zuzuhören, was ihnen wichtig ist. Erst dann kann man alles weitere entwickeln. Medienarbeit ist grundsätzlich etwas Schönes, was auch viel Spaß machen kann. Sie gehört dazu, wichtig ist zu verstehen, was öffentliche Aussagen auslösen. Gerade für junge Spieler ist es wichtig, dass man sie auf die mediale Öffentlichkeit verantwortungsvoll vorbereitet. Man kann auch viel zu früh öffentlich reden.
sj: Wissen die Spieler das so genau, also was Gesagtes auslösen kann?
Psotta: Toni Kroos beispielsweise ist sehr weitsichtig. Er weiß sehr genau, was er erzeugt mit dem, was er sagt und wann er etwas sagt. An Toni Kroos zeigt sich auch eine Ausgewogenheit in der Kommunikation. Er betreibt seinen Podcast, ist auf verschiedenen Social-Media-Kanälen mit einer unfassbaren Followerzahl präsent, gleichzeitig hat er in den klassischen Medien vom Bahn-Magazin über den Kinder-SPIEGEL bis The Athletic regelmäßig stattgefunden. (Kroos-Foto: firo sportphoto/augenklick)
sj: Wie blicken Sie auf Ihre Zeit als Sportjournalist zurück?
Psotta: Ich habe in dieser Zeit wichtiges Rüstzeug mitbekommen. Ich habe beeindruckende Persönlichkeiten interviewt, war bei den größten Sport-Ereignissen. Es waren fantastische Jahre. Zugleich sehe ich, wie sich der Journalismus verändert. Damals hatte man noch mehr Zeit zum Recherchieren und für tiefgehende Hintergrundgespräche. Heute haben Verlage neben ihrer Zeitung und dem Online-Auftritt noch eigene TV-Formate und Podcasts, für die alle immer neuer Inhalt produziert werden muss. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der Informationsbedarf höher ist als das, was tatsächlich rund um den Verein passiert. Inhalte aus Pressekonferenzen werden heute ja quasi zeitgleich via Social Media oder Live-Ticker veröffentlicht. Dementsprechend müssen Geschichten ständig weitergedreht werden. Und im Wettbewerb um Klicks sind die Grautöne noch mehr abhandengekommen. Aber nichtsdestotrotz ist und bleibt Journalismus wichtig – und noch mal: Er macht Spaß! Und daher versuchen wir, viele Anfragen zu ermöglichen, auch wenn die Flut der Anfragen sehr groß ist. Als BILD-Journalist war ich damals manchmal fast beleidigt, wenn ich eine Absage auf eine Interview-Anfrage erhalten habe. Das sehe ich heute anders, weil ich weiß, wie viele Anfragen es gibt. Hinzukommt: Die Fische im Teich sind nicht mehr geworden, aber es sitzen viel mehr Angler drumherum.
Zur Person: Kai Psotta, 43, war nach seiner Ausbildung an der Journalistenschule von Axel Springer für die SPORT BILD und BILD sowie für Sky tätig. Er schrieb 13 Bücher, unter anderem die Autobiografie von Schalkes Nachwuchstrainer Norbert Elgert. 2018 schloss er sich der Agentur von Volker Struth und Sascha Breese an. Sports360 berät derzeit 133 Fußballer und auch olympische Spitzensportler wie Skifahrer Linus Strasser.