sportjournalist: Entschuldigt die Einstiegsfrage, aber: Seid ihr noch ganz normal?
Katharina Strohmeyer: Natürlich nicht.
Stefan Barta: Hat das schon mal jemand vermutet?
sj: Wir fragen, weil wir euch beide am 6. Juli im Schalker Trainingslager in Mittersill aufgestöbert haben. Ihr seid 1600 Kilometer hin- und zurückgefahren, um die Modalitäten für den verwegenen Plan zu klären, anno 2024 eine gedruckte Stadion- und Mitgliederzeitung an den Start zu bringen.
Strohmeyer: Vier Tage vorher hatten wir den digitalen Mitgliederbrief bekommen, in dem in einem Nebensatz bekanntgegeben wurde, dass es den Schalker Kreisel künftig nicht mehr gedruckt geben wird. Und dann hatten wir beide den gleichen Reflex: Das können die ja wohl nicht ernst meinen!
Barta: Der Kreisel gehört einfach dazu. Seit Jahrzehnten. Er ist Teil des Rituals bei jedem Heimspiel, aber auch auswärts: Ich habe da immer ein Stadionmagazin mitgenommen, zum Teil auch mehrere, um sie tauschen zu können. Wobei ich als jemand, der alle Ausgaben seit dem Krieg hat, sicher speziell bin.
sj: "Seit dem Krieg" im Sinne von "seit ewigen Zeiten"?
Barta: Nö, alle Heimspiel-Ausgaben seit dem Zweiten Weltkrieg. Wobei zwei fehlen: eine von einem Freundschaftsspiel gegen die UdSSR 1971 und eine gegen den Wuppertaler SV aus der Saison 1971/72
Strohmeyer: Stefan sammelt alles, was es von Schalke auf Papier gibt. Und das wird immer weniger: Erst gab es keine Spielankündigungsplakate mehr, weil es ja keine Vorverkaufsstellen mehr gab. Dann gab es überhaupt keine gedruckten Karten mehr, nur noch E-Tickets. Das soll ökologischer sein, allerdings drucken jetzt viele der 60.000 Leute ihre Karten zu Hause aus. Nun ja... (Foto: privat)
sj: Wie wurde die Einstellung des Kreisels vom Verein begründet? Er wurde ja schon teils digital produziert, aber eben auch noch auf Papier an die Mitglieder verschickt.
Strohmeyer: Das hat wohl finanzielle Gründe. Am Kreisel war ein großes Redaktionsteam beteiligt, außerdem irgendwelche Agenturen. Wir konnten das schon nachvollziehen. Das Heft ist zuletzt immer dicker geworden, inhaltlich aber immer dünner. Das war auch ein Grund, warum das immer weniger Leute interessiert hat.
sj: Warum heißt euer Gegenentwurf Schalker Echo statt Schalker Kreisel?
Barta: Ende der 1960er gab es noch das monatliche Mitgliedermagazin Der Kreisel. 1971 erschien dann das Echo als typisches Stadionheft – ein privat geführtes Medium, das aber kurz darauf vom Verein übernommen und in Kreisel umbenannt wurde. Also haben wir uns gesagt: Dann machen wir jetzt das neue Echo. Zumal das allererste Echo damals, genau wie jetzt unser Heft am ersten Spieltag, ebenfalls gegen Braunschweig erschien.
sj: Anfang Juli habt ihr also mit den Schalke-Verantwortlichen eure Pläne besprochen, nicht einmal drei Wochen später hattet ihr das erste Heft aus der Druckerei in den Händen, richtig?
Barta: Wobei wir uns schon die Namensrechte und die Domain gesichert und ein inhaltliches Konzept entworfen hatten. Das haben wir dem Verein präsentiert und gesagt, wenn er etwas dagegen hat, soll er sich jetzt melden.
Strohmeyer: … oder für immer schweigen. Nein, das habe ich natürlich nicht gesagt!
sj: Habt ihr den Verein gefragt, ob er sich finanziell beteiligen will?
Strohmeyer: Nein, es war ja klar, dass man da nicht fragen muss.
Barta: Wer Geld gibt, will auch Mitsprache. Und wir wollen zwar kein per se kritisches Magazin sein, aber wir wollen schon schreiben, was wir wollen. Es wird immer mehrere redaktionelle Artikel rund um den Schalke-Kosmos geben, dazu Fragen zur Vereinshistorie und der Geschichte der Stadt Gelsenkirchen.
sj: Wo die Schmähkritik eines englischen EM-Journalisten umgewidmet wurde. Man erfährt bei euch von einem Shirt: "Travel warning: Absolute shithole. There is nothing except football and beer".
Barta: Nicht nur englische Reporter, auch viele Schalke-Fans kennen die Stadt gar nicht. Das wollen wir ändern.
Strohmeyer: Stefan hat einen riesigen Fundus an Schalke-Devotionalien, die auch präsentiert werden wollen. Dafür gab es bisher kein Medium. Jetzt gibt es eines. Dazu wollen wir über den Jugend- und Frauenfußball berichten und über die einzelnen Vereinsabteilungen. Das alles kriegst du nicht im Internet. Eine Stadionzeitung schaut sich dort auch kein Mensch an. Die Zugriffszahlungen sind ja bundesweit lächerlich gering.
sj: Dass ihr nicht ausschließlich per Mausklick arbeitet, dürfte allerdings mit viel Arbeit verbunden sein.
Strohmeyer: Stimmt, wir stehen ganz klassisch vor dem Stadion und verkaufen die Dinger. Außerdem haben wir bereits ein paar hundert Abonnenten. Ich fahre momentan täglich mit dem Fahrrad zur Post und gebe dort einen vollgepackten Rucksack mit Umschlägen ab. (Foto: Das neue Schalker Echo)
Barta: Es gibt auch schon einige Auslagestellen und Kneipen, wo man das Echo bekommt. Auch die "Hugos", eine Ultragruppe, unterstützen uns und verkaufen das Ding hinter der Kurve.Das Ganze ist ein Bekenntnis zur traditionellen Fankultur, und du merkst an jeder Ecke, wie vielen Leute die fehlt.
sj: Ihr arbeitet zwar jeweils auch in eurem eigentlichen Beruf, trotzdem kann so ein Projekt ja schnell zu hohen Verlusten führen.
Barta: Dass wir uns ruinieren, ist ausgeschlossen. Die Unkosten kriegst du immer raus, zumal es bereits einige Anzeigen gibt. Aber klar, einen Stundenlohn darfst du dir nicht ausrechnen
sj: Das Editorial der Chefredakteurin ist mit "Wühli seine Tochter" unterschrieben. Wir bitten um Aufklärung.
Strohmeyer: Günter Eichberg, der von 1989 bis 1994 Präsident war, muss damals jemand eingeflüstert haben, dass Schalke unbedingt ein Maskottchen braucht. Jedenfalls verkündete er 1991, dass es zum Aufstiegsspiel eine riesengroße Überraschung geben würde. Und wirklich die ganze Kurve dachte: Geil, Olaf Thon kommt von den Bayern zurück. Stattdessen sah man dann einen Plüsch-Maulwurf mit Grubenhelm, der "Wühli" hieß – und schnell Kult wurde. Daran wollten wir anknüpfen.
sj: Dann bedanken wir uns bei "Wühli seine Tochter" und "Wühli seine Tochter ihr Mann" für dieses Interview.