25.09.2018 Doping im Fußball bringt nichts. Das ist eines der Mantren des Profisports. Leichtathletik, Schwerathletik, auch Schwimmen, klar – aber Fußball? Der Sport ist zu komplex, heißt es. Was bringt denn Kraft, wenn die Schnelligkeit leidet oder die Koordination. Nein, Doping bringt nichts. Nicht heute – und damit wohl auch nicht gestern, in der DDR. Dort war der Sport zwar durchsetzt mit Medikamenten. Die politische Führung wollte das Maximum herausholen.
Aber auch im Staatsplan 14.25 spielte Fußball keine Rolle: Als Mannschaftssport war er zu aufwendig: Er brachte, wenn überhaupt, nur eine Medaille. Das war zu wenig für Diplomaten im Trainingsanzug. Also auch dort kein Doping. Soweit die Theorie.
Die Indizien sind andere. Bei der Doping-Opferhilfe in Berlin melden sich immer mehr Betroffene. Sie kommen von Carl Zeiss Jena, Rot-Weiß Erfurt oder Chemie Leipzig – sie kommen von überall aus der ehemaligen DDR-Oberliga. Und ihre Schäden sind nicht weniger dramatisch als in anderen Sportarten. Auch die Fußballer leiden unter Depressionen und Alkoholismus, Arthrose, Krebs und Tumoren. Ist das Zufall? Der Glaube fehlt.
Warum sollte Doping im DDR-Fußball auch keine Rolle gespielt haben? Fußball war prestigeträchtig: Der Sport war beliebt in den Bezirken. Er war auch politisch: Wenn Magdeburg, Jena oder Leipzig im Europapokal auf Klubs aus den Ländern der „Klassenfeinde“ trafen. Und er war für die Spieler auch persönlich relevant: Im sozialistischen Fußball gab es ebenfalls beträchtliche Prämien.
Thema „Doping in der Oberliga“ nach Wiedervereinigung kaum beleuchtet
Es liegt also nahe, dass Leistungssteigerung erwünscht war – und damit Doping auch in der DDR-Oberliga und der Nationalmannschaft Alltag. Doch das Thema ist auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung kaum beleuchtet. Das möchte ich mit einer Recherche mithilfe des Stipendiums des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg (VdSBB) ändern.
Ich bin 1992 in Jena, also im Osten, aber nach der Wiedervereinigung geboren. Ich durfte Staatswissenschaften in Erfurt und Sportsoziologie in Frankfurt am Main und Calgary studieren. Ich befasse mich gern mit Hintergründen. Während meines Studiums habe ich das für die FAZ und dpa gemacht, zuletzt beim Tagesspiegel, jetzt freiberuflich. Vieles von dem, was ich heute mache, war für meine Eltern undenkbar.
Trotzdem bin ich noch mit vielen der Widersprüche aufgewachsen, mit denen meine Eltern in der DDR sozialisiert wurden. Auch mit der Glorifizierung des DDR-Sports durch Menschen, die dem Staat kritisch gegenüber standen und von ihm unterdrückt wurden. Vor allem den Fußball, den fasst man nicht an. Warum, frage ich mich oft? Vielleicht, weil er die kleine Auszeit vom Alltag war. Weil man den Mangel bei Bier und Bratwurst nicht spürte, und auch die Politik nicht so sehr. Vielleicht auch, weil man sich die schönen Erfolge nicht kaputt reden will. Leistung gehört ja zur Identität. Wenn die Leistung nicht mehr die eigene ist – was bleibt dann noch?
Vielleicht kann aber gerade im Fußball Aufklärung wachrütteln. In der Öffentlichkeit – und für die Opfer. Viele Dopingopfer, das ist im Fußball vermutlich nicht anders als in den übrigen Sportarten, leiden zwar unter ihrer beeinträchtigten Gesundheit. Sie führen die Schäden aber oft nicht auf den Medikamentenmissbrauch zurück. Weil sie um ihn immer noch nicht wissen oder ihn sich nicht eingestehen wollen.
Jugend- und Breitensport durch Aufklärung schützen
Aufklärung braucht es aber auch für die jetzigen Generationen. Auch wenn nicht mehr so unkontrolliert und hoch dosiert gespritzt und geschluckt wird und die Hormonpräparate andere sind: Die Langzeitwirkung der Stoffe ist längst nicht absehbar. Dabei wirkt sich die mangelnde Sensibilität für das Thema im Profibereich auch negativ auf den Jugend- und Breitensport aus. Sie gilt es zu schützen – durch Aufklärung. Ein Blick in die Vergangenheit kann da helfen.
Ich hoffe, dass die Recherche dazu einen kleinen Beitrag leisten kann. Die ersten Anfragen für Dokumente und Gespräche laufen. Ich freue mich auf spannende Monate.
Der Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg vergibt sein Recherchestipendium „Spielraum“ seit 2016. Erste Stipendiatin war Alina Schwermer, auf sie folgte Mattis Nothacker. Anne Armbrecht hat bereits dreimal bei den Berufswettbewerben des Verbandes Deutscher Sportjournalisten gewonnen. Die heute 26-Jährige setzte sich beim Nachwuchspreis 2015 sowie 2017 durch und siegte zudem beim Großen VDS-Preis 2017. In der Laudatio hieß es: „Sie beschreibt eindringlich die Folgen des jahrelangen DDR-Zwangsdopings und stellt die Schicksale der ‚Verlorenen Kinder’ in den Mittelpunkt. Viele ehemalige Sportler leiden bis heute unter der Einnahme schädlicher Substanzen, ihre Kinder oft noch mehr.“
Aber auch im Staatsplan 14.25 spielte Fußball keine Rolle: Als Mannschaftssport war er zu aufwendig: Er brachte, wenn überhaupt, nur eine Medaille. Das war zu wenig für Diplomaten im Trainingsanzug. Also auch dort kein Doping. Soweit die Theorie.
Die Indizien sind andere. Bei der Doping-Opferhilfe in Berlin melden sich immer mehr Betroffene. Sie kommen von Carl Zeiss Jena, Rot-Weiß Erfurt oder Chemie Leipzig – sie kommen von überall aus der ehemaligen DDR-Oberliga. Und ihre Schäden sind nicht weniger dramatisch als in anderen Sportarten. Auch die Fußballer leiden unter Depressionen und Alkoholismus, Arthrose, Krebs und Tumoren. Ist das Zufall? Der Glaube fehlt.
Warum sollte Doping im DDR-Fußball auch keine Rolle gespielt haben? Fußball war prestigeträchtig: Der Sport war beliebt in den Bezirken. Er war auch politisch: Wenn Magdeburg, Jena oder Leipzig im Europapokal auf Klubs aus den Ländern der „Klassenfeinde“ trafen. Und er war für die Spieler auch persönlich relevant: Im sozialistischen Fußball gab es ebenfalls beträchtliche Prämien.
Thema „Doping in der Oberliga“ nach Wiedervereinigung kaum beleuchtet
Es liegt also nahe, dass Leistungssteigerung erwünscht war – und damit Doping auch in der DDR-Oberliga und der Nationalmannschaft Alltag. Doch das Thema ist auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung kaum beleuchtet. Das möchte ich mit einer Recherche mithilfe des Stipendiums des Verbandes der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg (VdSBB) ändern.
Ich bin 1992 in Jena, also im Osten, aber nach der Wiedervereinigung geboren. Ich durfte Staatswissenschaften in Erfurt und Sportsoziologie in Frankfurt am Main und Calgary studieren. Ich befasse mich gern mit Hintergründen. Während meines Studiums habe ich das für die FAZ und dpa gemacht, zuletzt beim Tagesspiegel, jetzt freiberuflich. Vieles von dem, was ich heute mache, war für meine Eltern undenkbar.
Trotzdem bin ich noch mit vielen der Widersprüche aufgewachsen, mit denen meine Eltern in der DDR sozialisiert wurden. Auch mit der Glorifizierung des DDR-Sports durch Menschen, die dem Staat kritisch gegenüber standen und von ihm unterdrückt wurden. Vor allem den Fußball, den fasst man nicht an. Warum, frage ich mich oft? Vielleicht, weil er die kleine Auszeit vom Alltag war. Weil man den Mangel bei Bier und Bratwurst nicht spürte, und auch die Politik nicht so sehr. Vielleicht auch, weil man sich die schönen Erfolge nicht kaputt reden will. Leistung gehört ja zur Identität. Wenn die Leistung nicht mehr die eigene ist – was bleibt dann noch?
Vielleicht kann aber gerade im Fußball Aufklärung wachrütteln. In der Öffentlichkeit – und für die Opfer. Viele Dopingopfer, das ist im Fußball vermutlich nicht anders als in den übrigen Sportarten, leiden zwar unter ihrer beeinträchtigten Gesundheit. Sie führen die Schäden aber oft nicht auf den Medikamentenmissbrauch zurück. Weil sie um ihn immer noch nicht wissen oder ihn sich nicht eingestehen wollen.
Jugend- und Breitensport durch Aufklärung schützen
Aufklärung braucht es aber auch für die jetzigen Generationen. Auch wenn nicht mehr so unkontrolliert und hoch dosiert gespritzt und geschluckt wird und die Hormonpräparate andere sind: Die Langzeitwirkung der Stoffe ist längst nicht absehbar. Dabei wirkt sich die mangelnde Sensibilität für das Thema im Profibereich auch negativ auf den Jugend- und Breitensport aus. Sie gilt es zu schützen – durch Aufklärung. Ein Blick in die Vergangenheit kann da helfen.
Ich hoffe, dass die Recherche dazu einen kleinen Beitrag leisten kann. Die ersten Anfragen für Dokumente und Gespräche laufen. Ich freue mich auf spannende Monate.
Der Verband der Sportjournalisten Berlin-Brandenburg vergibt sein Recherchestipendium „Spielraum“ seit 2016. Erste Stipendiatin war Alina Schwermer, auf sie folgte Mattis Nothacker. Anne Armbrecht hat bereits dreimal bei den Berufswettbewerben des Verbandes Deutscher Sportjournalisten gewonnen. Die heute 26-Jährige setzte sich beim Nachwuchspreis 2015 sowie 2017 durch und siegte zudem beim Großen VDS-Preis 2017. In der Laudatio hieß es: „Sie beschreibt eindringlich die Folgen des jahrelangen DDR-Zwangsdopings und stellt die Schicksale der ‚Verlorenen Kinder’ in den Mittelpunkt. Viele ehemalige Sportler leiden bis heute unter der Einnahme schädlicher Substanzen, ihre Kinder oft noch mehr.“