30.11.2015
sportjournalist: Johannes Sommer, sind Sportjournalisten in Zukunft überflüssig?
Johannes Sommer: Davon gehen wir nicht aus. Wir zielen im Moment darauf ab, alle Spiele in den unteren Klassen abzudecken und liefern damit etwas, was eine Sportredaktion personell gar nicht leisten kann. Wir haben nicht so sehr im Fokus, den bestehenden Sportjournalismus umzukrempeln, sondern ihn durch mehr qualitative Inhalte zu erweitern.
sj: Allerdings könnten die Verlage schon auf die Idee kommen, Personal einzusparen, wenn der Computer einen Teil der Berichterstattung übernehmen kann.
Sommer: Vielleicht wird es Verlage geben, die keinen Sportredakteur mehr zu einer WM schicken, sondern vom Computer Texte generieren lassen. Aber dieses Haus wird auch ohne Roboterjournalismus Einsparungen überlegen. Der Roboter beschleunigt das höchstens. Bei den Gesprächen, die ich mit Verlagen führe, sehe ich durch unser Angebot keine Gefahr für die Sportredakteure.
sj: Was kann der Computer besser als der Journalist?
Sommer: Große Datenmengen in einen Zusammenhang setzen und sie in Sekundenschnelle analysieren
sj: Kann der Computer auch Bundesliga, Champions League oder ein Grand-Slam-Turnier im Tennis?
Sommer: Wir sind überzeugt davon, dass in der Automatisierungslogik von journalistischen Texten eine wahnsinnige Entwicklung stattfindet und stattfinden wird. Tatsächlich könnte dann die Basisberichterstattung durch automatisch geschriebene Texte abgedeckt werden.
sj: Gerade haben Sie gesagt, dass der Roboterjournalismus den Sportjournalisten nicht ersetzen kann. Widersprechen Sie sich nicht?
Sommer: Ich bin überzeugt, dass guter, tiefgründiger Journalismus mehr braucht als einen Algorithmus.
sj: Es ist schwer vorstellbar, dass ein Computer Emotionen und Stimmungen erkennen kann.
Sommer: Die Qualität der automatisch generierten Texte wird sich stark weiterentwickeln. Aber ich bleibe dabei, dass der Sportjournalist, der ein Spiel beobachtet, gegenüber der Maschine einen Mehrwert hat. Denn das Spannende ist doch nicht allein das Ergebnis, sondern es sind die persönlichen Eindrücke des Reporters vor Ort. Die kann die Maschine nicht wiedergeben.
sj: Kommen wir zur Technik. Wie werden aus den Daten, mit denen der Computer über die unteren Spielklassen gefüttert werden musste, Sätze?
Sommer: Wir geben der Software Lexika, Phrasen und Grammatik vor. Sie hat die Fähigkeit, die Daten zu interpretieren und auf Basis der vorgegebenen Möglichkeiten Sätze zu formulieren.
sj: Deshalb tauchen in den Vorschauen auf FussiFreunde also immer wieder die gleichen Sätze auf.
Sommer: Daran arbeiten wir. Sätze, die in jedem Text vorkommen, werden identifiziert und der Software dafür alternative Ausdrucksmöglichkeiten gegeben. Der Variantenreichtum ist eine reine Fleißarbeit. Die Herausforderung des Roboterjournalismus ist die Güte der Grammatik, an der sich die Qualität des Systems messen lassen muss.
sj: Dirk Becker, wie sind Ihre Erfahrungen mit den automatisch generierten Texten von Retresco?
Dirk Becker: Grundsätzlich sehr positiv. Die sprachliche Qualität war in der Testphase schon ziemlich ordentlich, hier und da aber noch ausbaufähig.
sj: Mussten die Redakteure in die gelieferten Texte noch stark eingreifen?
Becker: Redaktionell mussten wir die Texte nur noch mit Infos aktualisieren. Denn wenn zum Beispiel ein Trainer unter der Woche entlassen wurde, dann hatte die Maschine diese Infos natürlich nicht.
sj: Welche Daten haben Sie Retresco in der Vorbereitung zur Verfügung gestellt?
Becker: Retresco bekam, vereinfacht gesagt, 150 Vorberichte, damit die Maschine eine sprachliche Kompetenz entwickeln kann. Die Datenbank enthält die Tabelle und den Spielplan mit den bisherigen Saisonergebnissen.
sj: Wo stößt der Computer aus journalistischer Sicht an Grenzen?
Becker: Für die automatische Textgenerierung ist die Bezeichnung Journalismus meiner Meinung nach etwas zu weit gegriffen. Es wird mit klaren Fakten gearbeitet und sprachlich kann man der Maschine sehr viel beibringen. Aber sobald wir an Kommentare denken, wenn Meinung und Beobachtung wichtig sind, gibt es Grenzen. Je mehr es in die Tiefe geht, desto schwieriger wird es.
sj: Also ist der Computer keine Konkurrenz für den Sportjournalisten?
Becker: Ich sehe es als Arbeitserleichterung.
Mit Johannes Sommer und Dirk Becker sprach Elisabeth Schlammerl
Eine längere Fassung des Interviews mit Johannes Sommer (Retresco) und Dirk Becker (FussiFreunde) findet sich in der August-Ausgabe des sportjournalist. Heft- und Abobestellung sind direkt beim Meyer & Meyer Verlag möglich. VDS-Mitglieder können sich das Heft als pdf im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.
Das Hamburger Fußballportal FussiFreunde veröffentlicht seit einigen Monaten automatisch generierte Artikel von der Kreisklasse bis zur Oberliga. Die Technologie dafür liefert die Berliner Firma Retresco. Im Interview mit dem sportjournalist erklärt Retresco-Geschäftsführer Johannes Sommer, 35, warum er Robotorjournalismus nicht als Konkurrenz für Sportjournalisten sieht und wie eine Maschine aus Daten ganze Sätze bilden kann. FussiFreunde-Chefredakteur Dirk Becker, 33, berichtet von seinen Erfahrungen mit den Computertexten.
sportjournalist: Johannes Sommer, sind Sportjournalisten in Zukunft überflüssig?
Johannes Sommer: Davon gehen wir nicht aus. Wir zielen im Moment darauf ab, alle Spiele in den unteren Klassen abzudecken und liefern damit etwas, was eine Sportredaktion personell gar nicht leisten kann. Wir haben nicht so sehr im Fokus, den bestehenden Sportjournalismus umzukrempeln, sondern ihn durch mehr qualitative Inhalte zu erweitern.
sj: Allerdings könnten die Verlage schon auf die Idee kommen, Personal einzusparen, wenn der Computer einen Teil der Berichterstattung übernehmen kann.
Sommer: Vielleicht wird es Verlage geben, die keinen Sportredakteur mehr zu einer WM schicken, sondern vom Computer Texte generieren lassen. Aber dieses Haus wird auch ohne Roboterjournalismus Einsparungen überlegen. Der Roboter beschleunigt das höchstens. Bei den Gesprächen, die ich mit Verlagen führe, sehe ich durch unser Angebot keine Gefahr für die Sportredakteure.
sj: Was kann der Computer besser als der Journalist?
Sommer: Große Datenmengen in einen Zusammenhang setzen und sie in Sekundenschnelle analysieren
sj: Kann der Computer auch Bundesliga, Champions League oder ein Grand-Slam-Turnier im Tennis?
Sommer: Wir sind überzeugt davon, dass in der Automatisierungslogik von journalistischen Texten eine wahnsinnige Entwicklung stattfindet und stattfinden wird. Tatsächlich könnte dann die Basisberichterstattung durch automatisch geschriebene Texte abgedeckt werden.
sj: Gerade haben Sie gesagt, dass der Roboterjournalismus den Sportjournalisten nicht ersetzen kann. Widersprechen Sie sich nicht?
Sommer: Ich bin überzeugt, dass guter, tiefgründiger Journalismus mehr braucht als einen Algorithmus.
sj: Es ist schwer vorstellbar, dass ein Computer Emotionen und Stimmungen erkennen kann.
Sommer: Die Qualität der automatisch generierten Texte wird sich stark weiterentwickeln. Aber ich bleibe dabei, dass der Sportjournalist, der ein Spiel beobachtet, gegenüber der Maschine einen Mehrwert hat. Denn das Spannende ist doch nicht allein das Ergebnis, sondern es sind die persönlichen Eindrücke des Reporters vor Ort. Die kann die Maschine nicht wiedergeben.
sj: Kommen wir zur Technik. Wie werden aus den Daten, mit denen der Computer über die unteren Spielklassen gefüttert werden musste, Sätze?
Sommer: Wir geben der Software Lexika, Phrasen und Grammatik vor. Sie hat die Fähigkeit, die Daten zu interpretieren und auf Basis der vorgegebenen Möglichkeiten Sätze zu formulieren.
sj: Deshalb tauchen in den Vorschauen auf FussiFreunde also immer wieder die gleichen Sätze auf.
Sommer: Daran arbeiten wir. Sätze, die in jedem Text vorkommen, werden identifiziert und der Software dafür alternative Ausdrucksmöglichkeiten gegeben. Der Variantenreichtum ist eine reine Fleißarbeit. Die Herausforderung des Roboterjournalismus ist die Güte der Grammatik, an der sich die Qualität des Systems messen lassen muss.
sj: Dirk Becker, wie sind Ihre Erfahrungen mit den automatisch generierten Texten von Retresco?
Dirk Becker: Grundsätzlich sehr positiv. Die sprachliche Qualität war in der Testphase schon ziemlich ordentlich, hier und da aber noch ausbaufähig.
sj: Mussten die Redakteure in die gelieferten Texte noch stark eingreifen?
Becker: Redaktionell mussten wir die Texte nur noch mit Infos aktualisieren. Denn wenn zum Beispiel ein Trainer unter der Woche entlassen wurde, dann hatte die Maschine diese Infos natürlich nicht.
sj: Welche Daten haben Sie Retresco in der Vorbereitung zur Verfügung gestellt?
Becker: Retresco bekam, vereinfacht gesagt, 150 Vorberichte, damit die Maschine eine sprachliche Kompetenz entwickeln kann. Die Datenbank enthält die Tabelle und den Spielplan mit den bisherigen Saisonergebnissen.
sj: Wo stößt der Computer aus journalistischer Sicht an Grenzen?
Becker: Für die automatische Textgenerierung ist die Bezeichnung Journalismus meiner Meinung nach etwas zu weit gegriffen. Es wird mit klaren Fakten gearbeitet und sprachlich kann man der Maschine sehr viel beibringen. Aber sobald wir an Kommentare denken, wenn Meinung und Beobachtung wichtig sind, gibt es Grenzen. Je mehr es in die Tiefe geht, desto schwieriger wird es.
sj: Also ist der Computer keine Konkurrenz für den Sportjournalisten?
Becker: Ich sehe es als Arbeitserleichterung.
Mit Johannes Sommer und Dirk Becker sprach Elisabeth Schlammerl
Eine längere Fassung des Interviews mit Johannes Sommer (Retresco) und Dirk Becker (FussiFreunde) findet sich in der August-Ausgabe des sportjournalist. Heft- und Abobestellung sind direkt beim Meyer & Meyer Verlag möglich. VDS-Mitglieder können sich das Heft als pdf im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.