Ich mag das Meisterfeier-Theater nicht mehr sehen

Kolumne „Hardt und herzlich“

20.05.2017 Sportliche Erfolge sollen gefeiert werden. Aber muss das Ganze so abgeschmackt verlaufen? sportjournalist-Kolumnist Andreas Hardt hat jedenfalls genug.
Autor: Andreas Hardt
Bald ist es wieder soweit. Dann spritzt der Schampus, klebt das Bier, alles feiert – ob Pokalsieg, Meisterschaft oder Champions-League-Triumph. Dann wird „We are the champions“ angestimmt. Konfetti fliegt aus bereitgestellten Kanonen, Podest, Gruppenfoto! Wann übergießt nun der Thomas, dieser Schelm, den Trainer mit Bier? Und hach, die Fieldreporterin vom Bezahlfernsehen bekommt auch noch was ab. Diese Stimmung, diese Spontanität!
 
Vorbereitete T-Shirts wurden schon vor dem Schlusspfiff an die Ersatzspieler verteilt. Die Jungs auf dem Platz bekommen sie unmittelbar nach dem Ende. Überziehen. Fotografieren lassen. Trikottausch mit dem Gegner? Nicht doch, der hat einen anderen Ausrüster. Und wir müssen ja die Pokalsieger-Meister-Aufsteiger-Klassenerhalter-Hemden auch im Fanshop verkaufen. So eines will doch jeder, zusammen mit dem neuen Home-Trikot, das wir deshalb schon Ende der Saison getragen haben.
 
Jetzt kommen junge Damen im Dirndl und bringen gigantische Weißbiergläser. Die Spieler müssen sich diese Plörre nicht einmal mehr selbst besorgen. Dafür steht groß und breit der Name der Partner-Brauerei darauf. Nein, es ist keinesfalls egal, mit welchem Hopfensaft der Trainer geduscht wird, wo sind wir denn? Aber alkoholfrei sollte er vielleicht sein. Ja, das ist gut. Vorbildwirkung.
 
Man möchte den Spielern so sehr wünschen, dass sie noch irgendwann zwischen all diesen durchinszenierten Exzessen spontane, echte Freude erleben. So hat schließlich das spontane Verschütten von irgendwelchen Getränken auf Coaches in den USA mal begonnen. Zu erkennen ist davon bei dem öffentlichen Jubel leider nicht mehr viel. Es ist ein Teil des Jobs geworden. Und ganz ehrlich: Ich mag das Theater nicht mehr sehen.

Dieser Artikel stammt aus der Ausgabe Mai 2017 des sportjournalist, die direkt beim Meyer & Meyer Verlag bestellt werden kann. Mitglieder des VDS können sich das Heft als PDF im Mitgliederbereich kostenlos herunterladen.